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New Work oder Arbeit 4.0

Warum es bei den neuen Arbeitsformen nicht allein um die Großraumbüros geht und wieso – vertrauensvolle – Führung und Unternehmenskultur wichtiger denn je sind.

Dieser Tage ist viel die Rede von so genannter New Work. Mitarbeiter reagieren hierauf mitunter mit Entsetzen, setzen sie das von ihnen verhasste Großraumbüro damit gleich. Aber hier geht es vielmehr um Investitionen, Vertrauen und Transparenz. Und: Dass New Work funktionieren kann, liegt längst nicht am Arbeitgeber allein, die Arbeitnehmer sind mindestens genauso gefordert

Da beißt die Maus keinen Faden ab: „Großraumbüros“ – mein Gott, allein der Name schon! – sind schlecht. Sie machen die Mitarbeiter häufiger krank, schreibt das Handelsblatt. Der Dortmunder Organisationspsychologe Berthold Iserloh, so die Wirtschaftszeitung weiter, schätzt, dass etwa zwei Drittel der krankheitsbedingten Produktionsausfälle auf das Konto von anwesenden, aber nicht voll leistungsfähigen Mitarbeitern gehen. Dass durch Großraum- oder Gruppenbüros die psychische und physische Belastung der Arbeitnehmer dabei steigt, steht für Iserloh fest. „Menschen brauchen ihr eigenes Reich, das ist psychologisch erwiesen. In Großraumbüros fühlen sich Mitarbeiter dagegen auf dem Präsentierteller.“

Guter Großraum, böser Großraum

Allerdings: Wenn diese Iserlohs Einschätzung tatsächlich übergreifend gelten sollte, dann müsste nahezu die gesamte US-amerikanische Westküste ständig erkrankt sein. Ganz gleich, ob es sich um High-Tech-Giganten wie Salesforce oder aber noch junge Unternehmen wie Dropbox oder Pinterest handelt, hier beherrscht der so genannte Großraum die Zusammenarbeit. Widmet man sich jedoch den Details, dann wird schnell klar, dass Großraum nicht gleich Großraum ist. Und das liegt an drei wesentlichen Dingen: Geld, Gestaltung und Regeln.

Wer nämlich einmal einen Fuß in eines der neueren Westküsten-Büros gesetzt hat, merkt schnell: Mit Yucca-Palme und PVC-Boden à la Stromberg hat das nichts zu tun. Dicke, schallisolierende Teppiche schlucken mächtig viele Geräusche. Zudem sorgt auch die restliche Innenausstattung dafür, dass die Mitarbeiter sich mehr in einem schicken großen Café befinden, denn auf der Arbeit und sie selbst im Großraum gut und konzentriert arbeiten können. Die Kantine ist wie eine Lounge aufgemacht, und wer´s dennoch mal absolut konzentriert braucht, kann sich beispielsweise in Einzelzimmer zurückziehen, die ihm Ruhe gönnen. Und diese schnell und einfach via moderner Teamwork-Software buchen. Kurz und gut: Diese Unternehmen haben eingesehen, dass modernes Arbeiten auch eine moderne Arbeitsumgebung braucht.

Neues Arbeiten braucht Regeln

Genauso wichtig ist es aber, zweitens, dass es für dieses Arbeiten bestimmte Regeln braucht. Und: die gelten sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer! Das heißt, in den USA ist es gang und gäbe, dass neben den hippen Büros etwa Softdrinks, Kaffee, Tee, Obst kostenlos bereitstehen. Und dass man etwa auch seitens der Unternehmen für technische Arbeitsmittel sorgt, die nicht aus den späten 90er-Jahren stammen. Im Gegenzug wissen Büroangestellte in den USA auch damit umzugehen. Lautes Tratschen, das die Kolleginnen und Kollegen stört, findet in solchen Großraumbüros nicht statt, und Waschräume sowie Kaffeeküchen sehen nach einem halben Arbeitstag eben nicht aus wie ein stark frequentiertes Autobahnparkplatz-WC. Fernab jeder Untugend amerikanischer Unternehmen wie Hire-and-Fire: Geben und Nehmen – das Prinzip der Gegenseitigkeit manifestiert sich hier recht eindrucksvoll.

Das scheinen aber, erneut Arbeitgeber und Arbeitnehmer, offenbar zu vergessen, wenn es hierzulande um das Prinzip New Work geht. Wer als Mitarbeiter ständig in der Perspektive „Ihr da oben, wir da unten“ denkt, kann damit nicht gut umgehen. Im Umkehrschluss müssen Arbeitgeber aber auch Geld in die Hand nehmen. Das betrifft dann sowohl die Arbeitsplatzausstattung als auch die Arbeitsorganisation sowie die Benefits.

Maximale Transparenz

Aber keinesfalls ist das dann alles eine Frage des Geldes. Klar ist: Investitionen sind notwendig, viel wichtiger sind jedoch Vereinbarungen den Umgang mit New Work betreffend. Beispiel: Ganz gleich ob Büro, beim Kunden, im Home Office oder im Café – Microsoft Deutschland hat bereits 2014 die Entscheidung über den Arbeitsort in die Hände seiner Mitarbeiter gelegt. Mit der „Gesamtbetriebsvereinbarung zum Arbeitsort” kann jeder Mitarbeiter frei entscheiden an welchem Ort er arbeitet. Was bei Microsoft schon lange gelebte Praxis ist, wurde seinerzeit mit einer Betriebsvereinbarung verbindlich geregelt und vom Betriebsrat mitentwickelt.

So etwas verschafft den Mitarbeitern Flexibilität, senkt Stress und Reisekosten, schenkt Arbeitnehmern mit Kindern ein Aufatmen.

Vertrauensarbeitsort ein Erfolgsmodell

Und offensichtlich geht die Rechnung für alle Beteiligten auf. Spricht man Microsoft-Mitarbeiter darauf an, schwärmen diese geradezu von diesem Modell, und auch das dafür verantwortliche Management äußert ein positives Fazit. So ist vor allem maximale Transparenz für den Erfolg maßgeblich. Anders gesagt: das klassische „Ich mache diesen Monat tüchtig Überstunden, ich brauche noch Urlaub für meine Kegeltour“ ist eher kontraproduktiv.

Fazit: New Work kann gehen, denn Großraum ist längst nicht Großraum. Augenwischerei ist hier fehl am Platze. Das gilt aber sowohl für die Unternehmen, die ihren Mitarbeitern auch adäquate Arbeitsbedingungen anbieten müssen, die dazu passen, als auch für Mitarbeiter, die damit umzugehen wissen – Quid pro quo.


Gastautor Sven Hansel, IT- und Wirtschaftsjournalist

Bildquelle: Sven Hansel, Headquarter von Pinterest in San Francisco

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