Plädoyer für einen überzeugenden Messeauftritt des Mittelstands. – Ein eindeutiger Blick nur nach vorn.
Über 7.33 Aussteller auf der Touristikmesse ITB, annähernd ebenso viele auf der Ernährungsmesse Anuga und immerhin gut mehr als 6.000 auf der drittgrößten Veranstaltung dieser Art, der Hannover Messe. Der Messeplatz Deutschland läuft weiterhin gut. Die deutschen Veranstalter erwirtschaften über 3 Milliarden Euro jährlich.
Vernünftige Messepräsenz ist aufwändig
Doch die Zahlen allein sind trügerisch. Licht und Schatten liegen nah beieinander. Unterhält man sich mit zufriedenen Ausstellern beispielsweise der Hannover Messe, so berichten diese unisono über immense Anstrengungen im Vorfeld des Events. Ein Grund etwa: Ihre Lösungen zur Digitalisierung lassen sich nur durch sehr aufwändige, handfeste und authentische Cases darstellen. So waren es denn auch auf der Messe Roboter, die in ständigem Austausch mit der IT standen oder Maschinenstraßen, die aktiv nach einer Wartung verlangten und die als Publikumsmagnet dienten. Was mitunter in Hannover gezeigt wurde, war ganz großes Kino, gar keine Frage.
Kunden kommen mit auf den Stand
Und diese Positiveffekte lassen sich sogar noch verstärken, Stichwort: neue Transparenz. Dadurch, dass man seine tatsächlichen Kunden mit auf den Stand einlädt. Unternehmen präsentierten derart keine vom Konjunktiv beherrschte Wolkenschlösser à la „hiermit könnten sie“ oder „damit würden sie“, sondern potenzielle Neukunden erleben von den bereits akquirierten Kunden ein „wir machen damit“ oder „wir erreichen hiermit“. Das weckt Interesse und Vertrauen gleichermaßen.
Dann gibt es indes die stetige Fraktion der ewig Nörgelnden. Etwa der Mittelständler, der tatsächlich noch ein mannsgroßes „Made in Germany“ als Attraktor auf seinen Stand pappte und ansonsten lediglich durch Kaffee und Kekse auffiel. Oder der Totentanz zur CeBIT in Halle 5. Wer nicht mit der Zeit geht – geht kaputt. Wer tatsächlich glaubt, in der Digitalisierung mit „Business as usual“ zu bestehen, hat den Schuss nicht gehört.
Digitale und analoge Welt gehören zusammen
Dazu gehört natürlich auch die Verquickung der analogen mit der digitalen Welt. Die Hochglanzbroschüre ist nicht tot – sie darf aber nur ein Baustein sein: Wurden Kunden und Interessenten vor der Messe mit überzeugenden(!) Informationen auf der Webseite für den Messebesuch angeregt? Bekommen Leads und Opportunities im Nachgang der Messe nutzwerte(!) Informationen per E-Mail? Weiß das hausinterne CRM, wer tatsächlich auf der Messe war und sich vielleicht auch ein Whitepaper heruntergeladen hat und entsprechend besondere Betreuung verdient? Man mag es kaum glauben, aber was – gerade im Mittelstand – in Unternehmen vor und nach der Messe passiert, ist mitunter ein multipler Chancentod wie Mario Gomez in seinen schlechteren Phasen vor dem gegnerischen Tor.
Investitionen, die sich lohnen
Keine Frage: Das kostet alles Geld, oft sogar viel Geld. Das ist alles aber nichts im Vergleich zu den Umsatzchancen, die im IoT und der Industrie 4.0 lauern. Eine gemeinsame Studie von Fraunhofer IAO (Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation) und dem ITK-Branchenverband Bitkom prognostiziert allein in sechs volkswirtschaftlich wichtigen Branchen durch Industrie 4.0 bis zum Jahr 2025 mögliche Produktivitätssteigerungen in Höhe von insgesamt rund 78 Milliarden Euro. Wer an diesem Kuchen mitverdienen will, der sollte entsprechend Gas geben.
In Köln heißt es: „Vun nix kütt nix“ – und dieser Spruch hat auch in der digitalen Welt seine Daseinsberechtigung, vielleicht heute mehr denn je.
Gastautor Sven Hansel, IT- und Wirtschaftsjournalist
Foto/Quelle: Deutsche Messe